Archive for Juni, 2009

Unsere Fußballtiger von 1976

Montag, Juni 22nd, 2009

Nach der Fußballweltmeisterschaft 1974 gab es nur zwei Jahre später meines Wissens das vorerst letzte bedeutende  Fußballereignis in Deutschland. Der nachfolgende Beitrag aus dem Brigadebuch des Kollektivs „Norbert Wiener“  der Einfahrabteilung FAE 4 des VEB GRW Teltow läßt daran keine Zweifel aufkommen. Ich versichere, dass ich nichts weggelassen und auch nichts hinzugefügt habe.  Der Verfasser hat leider seinen Beitrag nicht signiert. Vielleicht meldet er sich freiwillig.

Fußballvergleichskampf Kollektiv „Norbert Wiener“ gegen die Patenklasse A52 

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Am 29.11.76 trafen die Mannschaften unseres Kollektivs „Norbert Wiener“ und der Patenklasse A52 im Stadion der Metallarbeiter in Kleinmachnow zu einem Fußballmatch zusammen. Gespielt wurde auf dem Kleinfeld mit je 6+1 Spieler. Nach der offiziellen Begrüßung (Siehe Bild 1) der Spieler durch die wenig zahlreichen Zuschauer (Bild 2) und der Auslosung der Seite wurde der Ball von den Stürmern der Patenklasse angestoßen.             

Die ersten 15 Minuten verliefen recht hektisch. Beide Mannschaften mußten sich erst an die eigenartige Spielweise des Gegners gewöhnen. Aber bereits in der 8. Minute gelang unserem Kollegen Hanussa durch einen Sololauf das Führungstor. Die Spieler der Patenklasse geschockt, gingen sofort in die Offensive (Bild 3). Nach 30 Minuten Spielzeit hieß das Halbzeitergebnis dann auch 3 : 1 für unsere Patenklasse.

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In der zweiten Spielhälfte blieb der Stürmerdrang unserer Lehrlinge bestehen. Es stand nach 45 Minuten  6 : 1  für die Patenklasse, trotz allem Einsatz unseres Kollegen Schmidt (Bild 4). Da konnte sogar unser Torwart Kollege Henke nur noch staunen (Bild 5) und die Bälle aus dem Tor holen.  Sieben Minuten vor Spielschluß gelang dem Kollegen Schilling beim Angriff des Tores der Klasse A52 noch ein Abstaubertor. Kollege Schilling war über seinen Torerfolg selber ganz überrascht (Bild 6), stand es jetzt doch nur noch  2 : 6  für unser Kollektiv.

Dieses Ergebnis war  auch der Endstand unserer Begegnung. War das Ergebnis auch für unser Kollektiv nicht befriedigend, so hatten wir alle doch viel Spaß am Spiel. Beide Mannschaften verabschiedeten sich und vereinbarten für das kommende Jahr ein Rückspiel.

Mathias Richter

Die Geschichte des Buches der Einfahrerlieder

Donnerstag, Juni 18th, 2009

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Soweit bekannt ist, entstanden die ersten Einfahrerlieder erst in der Mitte der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Die meisten Lieder verwendeten eigängige Melodien. Geklaut haben da auch schon andere Klassiker.  Einem der Einfahrerlieder aus dieser Frühzeit  „Wir lassen heut´erschallen …“ liegt zum Beispiel musikalisch der “Marsch der K&K Kaiserjäger“ und dem „Einfahrer von Jene“ Goethes „König von Thule“ zu Grunde.  Viele Lieder entstanden regional auf Baustellen und haben damit irgendetwas mit den Shanties der Seefahrer gemein. Die meisten Lieder wurden später zum allgemeinen Einfahrerliedgut und  kaum einer macht sich dabei noch Gedanken über die Ursprünge.

Der Gedanke diese Lieder und andere oft gesungenen Volks- und Stimmungs-liedern zu sammeln und zu vervielfältigen entstand schon sehr früh; denn die Einfahrer waren immer schon eine sangesfreudige Gemeinschaft. Die Kopien im DIN A4-Format wurden als Ormig-Abzüge schon lange vor 1980 im Einfahrergepäck mitgeführt. Die Lebensdauer dieser losen Blätter im dünnen Pappordner war bei  häufigem Gebrauch aber sehr begrenzt, so dass etwa in der Zeit nach 1984 der Gedanke an ein eigenes strapazierfähiges Buch der Einfahrerlieder aufkam.  Obwohl traditionelle Studentenlieder und ähnliches Liedgut in der DDR nur bedingt geduldet wurden, orientierten wir uns bei der äußeren Form des Buches kurioserweise an dem Kommersbuch von Friedrich Engels. Wir hatten bis dahin leibhaftig noch kein Kommersbuch gesehen, kannten aber eine Beschreibung des Schreibtisches von Engels, auf dem ein solches Buch gelegen haben soll. Es hatte Biernägel, damit es nach dem Umkippen eines vollen Bierglases keinen Schaden nahm, war in strapazierfähigen brauen Leder gebunden und besaß metallene Schutzecken damit man auch mal zum Takt der Lieder auf den Tisch hauen konnte.  So wichtig kann Geschichtsunterricht sein!

Das Buch der Einfahrerlieder wurde in den Jahren 1984/85 „produziert“. Es wurde auf einem Computer der Baureihe MC80.10 vom VEB Elektronik Gera geschrieben. Diese Computer war zu diesem Zeitpunkt Stand der Technik in der DDR. Er war nicht grafikfähig, hatte ein auf Europa-Platinen basierendes eigenes Mikrorechner-System und wog satte 30 kg! Als wichtigen Aspekt für die Erstellung unseres Liederbuches besaß er eine Schnittstelle, die die Ausgabe von Daten und Dateien an einen Lochbandstanzer ermöglichte.  Solche Papierlochstreifen wurden noch bis in die 80er Jahre als Speichermedium verwendet. Die Datendichte betrug 10 Byte/Zoll  und es musste deshalb auch eine Menge Papier produziert werden. Änderungen auf dem Lochstreifen konnten nur vorgenommen werden, indem man  einen neuen Lochstreifen erstellte oder die fehlerhafte Stelle überklebte und per Handlochung korrigierte. Oft rissen die Papierstreifen auch beim Einzug und dann konnte auch wieder nur geklebt werden. Im damaligen Geräteprüffeld gab es einen Fernschreiber, der diese Dateninformationen vom Lochstreifen verarbeitete. Eines der Schlüsselprobleme war die Beschaffung eines dünnen und reißfesten Papieres, das auf dem Fernschreiber lief und den angestrebten Taschenbuchcharakter des Liederbuches unterstützte. Dabei kamen uns die Beschaffungserfahrungen in jener Zeit (Ware gegen Ware) zu Gute. Der leider schon verstorbene Gruppenleiter Horst Schmidt vermittelte uns einen Kunden, der große Mengen von leeren Schreiber-rollen eingelagert hatte. Wir besaßen die Transmitter, die er benötigte – und so kam der Warentausch zustande. Wir fanden im Einzelhandel mühevoll die not-wendigen Metallbeschläge für das Buch und einen Buchbinder, der die mit Blattgold bedruckten Einbände aus braunem amerikanischen Ziegenleder und strapa-zierfähigem roten Rindsleder herstellte.

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Die Logistik für den wochenlangen Druck im Geräteprüffeld, Beschaffungsfragen, der Seitenschnitt und letztendlich die Zusammenstellung von etwa 4000 Einzelseiten zu den etwa 35 Exemplaren der Erstausgabe des Liederbuches von 1985 versetzt auch heute noch in Erstaunen.
Die „Erstinbetriebnahme“ des Buches erfolgte im Rahmen einer Gruppen-veranstaltung der Dresdener Einfahrer in der Triebischtalbaude.

Mathias Richter

Kohlen-Richter

Donnerstag, Juni 18th, 2009

Hier noch eine Anekdote, die nichts mit der Einfahrerei, aber mit einem Einfahrer zu tun hat:Karl-Heinz Richter aus Bautzen bekam Kohlen geliefert. Wie zu DDR-Zeiten üblich, wurden sie vor das Haus auf die Straße geschüttet und mußten nun durch das Kellerfenster in den Keller geschaufelt werden. Karl-Heinz schickte seinen Sohn vor, er solle schon mal anfangen.
So angeordnet, so geschehen. Das Kellerfenster war schon offen und als Vater Richter nach einiger Zeit nachkam, hatte der Sohn schon ein gut Teil geschafft. Als sie nun mit vereinten Kräften das Meiste drin hatten, bemerkte Karl-Heinz, daß sie die Kohlen nicht in den eigenen, sondern in den Keller ausgerechnet des Nachbarn geschaufelt hatten, mit dem sie schon lange uneins waren und schon ewig nicht mehr gesprochen hatten.
Wie sie das Problem gelöst haben weiß ich nicht, auf jeden Fall aber so, daß sie die Kohlen nicht wieder aus Nachbars Keller herausholen mußten.
Karl-Heinz Richter aber hatte seitdem den Beinamen „Kohlen-Richter“.

Hans Völker

Was ein Kondensator kann

Donnerstag, Juni 18th, 2009

Im Heizkraftwerk Pirna gab es eine Reduzierstation, die bei Normalbetrieb des HKW von Hand geschlossen war. Die elektronische Regelanlage wurde nur bei An- oder Abfahrvorgängen gebraucht. Immer wieder kam es jedoch vor, daß sich die Anlage selbsttätig auf Automatik schaltete und Richtung „Auf“ lief. Wenn das vom Bedienungspersonal nicht gleich bemerkt wurde (ein Warnsignal gab es nicht), konnte ein kritischer Betriebszustand eintreten.
Wir haben uns bald totgesucht, den Fehler aber nicht gefunden. Der Kunde wurde immer ungeduldiger und drängte auf Beseitigung des Mangels.
Unsere „Wissenschaftler“ Hansi Stolpe und Mathias Richter aus Leipzig rückten schließlich mit einer großen Meßapparatur an, mit der alle möglichen Parameter überwacht und dokumentiert werden konnten, aber alles vergebens.
Eines Tages hockte ich zusammen mit einem BMSR-Mechaniker des Betreibers vor dem Reglergestell als uns ein „pitsch“- Geräusch aufhorchen ließ und gleichzeitig die Anlage wieder auf Automatik schaltete. Jetzt legten wir uns auf die Lauer, und beim nächsten Mal konnten wir ein Netzgerät als Verursacher ausmachen. Ein immer mal wieder durchschlagender Kondensator war der Grund für den üblen Schmutzeffekt.

 

Hans Völker

Temperaturregelung

Donnerstag, Juni 18th, 2009

Am Anfang meiner Einfahrerzeit war ich als zweiter Mann mit Hans Peetz (er ist schon viele Jahre nicht mehr bei GRW und inzwischen auch verstorben) in Wildau, wo wir die Temperatur eines gasbeheizten Industrieofens zu regeln hatten. Das Bedienungspersonal arbeitete im Leistungslohn, und für die war der Ofen nur heiß genug wenn der Gasmengenmesser, eine Ringwaage, auf Endausschlag stand. Wir waren für sie die Bösen, die ihren Lohn schmälern wollten.
Also haben wir die Ringwaage auf Endausschlag festgeklemmt und dann erfolgreich die Temperatur geregelt.

 

Hans Völker

Die Generator Wassertasse

Donnerstag, Juni 18th, 2009

Sicherlich gibt es im Leben jedes Einfahrers Begebenheiten, die man nicht wieder vergißt:Im VEB Sanitärporzellan Dresden hatte ich die Druckregelung  von Gasgeneratoren einzufahren. Jeder Generator war nach unten mit einer Wassertasse abgedichtet, die gleichzeitig als Sicherheitsventil fungierte. Das Bedienungselement in Gestalt eines Fernsteuerhahns mit den Stellungen „Auf – Verblockt – Zu – Verblockt – Automatik“ befand sich dicht neben der Wassertasse, die mit einer stinkenden schwarzen Brühe gefüllt war. Als ich nach Voreinstellung des Strahlrohrreglers das erste Mal auf Automatik schaltete, kam der Regelkreis heftig ins Schwingen. Der Versuch, das im Handbetrieb wieder zu beruhigen wurde zu einer (angst-)schweißtreibenden Angelegenheit. Wußte ich doch genau, wenn der Druck diesen Wert übersteigt, bekomme ich den Inhalt der Wassertasse (nicht nur)
in die „Gesicht“. Dazu ist es zum Glück nicht gekommen.

Hans Völker

Das Kollektiv „Niederdruckpneumatik“

Donnerstag, Juni 18th, 2009

In der Entwicklungsabteilung in Teltow gab es das Kollektiv „Niederdruckpneumatik“ mit Valentin Ferner als führendem Kopf sowie Heinz Hänel, Dieter Drews und Heinz Malkwitz.
Sie entwickelten ein Gerätesystem für pneumatische Regelung und Steuerung mit dem Arbeitsluftdruck 0 – 100 mmws. Es wurde unter der Bezeichnung „Unipneu“, später „Unalog“ vermarktet (universelles niederdruckpneumatisches Analog- und Logik-System). Ich habe gern damit gearbeitet, weil man durch einfaches Umstecken einiger Schläuche das Reglerverhalten an die Aufgabe anpassen konnte. Das Entwicklungskollektiv wurde mit einem Nationalpreis ausgezeichnet. Das System war vielseitig einsetzbar, z.B. entwickelte Rolf Sebastian einen Kraftwerkstrainer, der für die Schulung des Bedienungspersonals von Großkraftwerken verwendet wurde, einschließlich Anti-Havarie-Training.
 Bei ihren Forschungen stellten die Entwickler fest, daß sich Schallwellen in Schläuchen fast verlustlos ausbreiten. Um das zu demonstrieren steckten sie einen Ohrhörer in ein Ende eines 100-m-Bündels Pneumatikschlauch. Am anderen Ende konnte man die Musik in fast gleicher Lautstärke hören.
Diese Erkenntnis machten sich zwei Einfahrer auf ihre Art zu Nutze:


fj27.jpg  Reinhard Mahlo                             opti16.jpg   Hans Völker

 

 

Reinhard Mahlo hatte ein Motorrad, mit dem wir eine zeitlang zusammen zu Baustellen fuhren. Um uns während der Fahrt unterhalten zu können bastelten wir uns Schlauchverbindungen von den Ohren zu kleinen Plastetrichtern, die als „Mikrofon“ vor dem Mund hingen, sowie eine Verbindung von Mann zu Mann. Es funktionierte allerdings mehr schlecht als recht – die Nebengeräusche waren zu stark.                                                                   
 

Valentin Ferner, Heinz Hänel und Heinz Malkwitz sind bereits verstorben. Ferner war ein vielseitig talentierter Mensch. Er hat z.B. ein Buch geschrieben, welches seinem Titel „Anschauliche Regelungstechnik“ wirklich gerecht wurde, und er hat das Leben der Bienen in Gedichtform geschildert. 

Hans Völker

Paul Unger

Dienstag, Juni 16th, 2009

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Paul Unger war schon als Inbetriebnehmer tätig, als der Betrieb noch „Askania“ hieß
und an die Bezeichnung „Einfahrer“ noch gar nicht zu denken war. Er war also ein
“ganz alter Askanese“. Obwohl meines Wissens kein Ing., hatte er ein ausgeprägtes technisches Verständnis. Zu seiner Zeit gab es noch keine pneumatischen, sondern „nur“
die ölhydraulischen Strahlrohrregler. Diese wurden auch für die Heißdampftemperaturregelung an Dampferzeugern eingesetzt und waren auf der Kesseldecke montiert. Bei der Arbeit in der Hitze dort oben hat Paul sich schwer erkältet. Ob das zu seinem allzu frühen Tod, nicht lange vor Erreichen des Rentenalters, beigetragen hat weiß ich nicht. Fakt ist, daß er im Diabetes-Sanatorium Hohenelse bei Rheinsberg war.
Paule war so oft in Ungarn, daß er dort schon als „Onkel Paul“ bekannt war. Demzufolge
war er Experte für Paprika, der zu dieser Zeit (etwa 1960) in der DDR noch nicht so sehr bekannt war. Und er klärte uns in seinem berliner Dialekt auf:
“Eh de dir dran jewöhnt hast beißter dir dreimal: det erste Mal beim Fressen, det zweite Mal beim Schiffen und det dritte Mal beim Scheißen. Und wenn de mal eine hast die nicht so will:
mit dem Paprikafinger ran – die springt dir mit …..(das Weitere ist nicht mehr druckreif).
 Einmal war Eddy Makus (er lebt leider auch schon nicht mehr) aus Ungarn zurückgekommen und hatte als Geschenk für seine Kollegen scharfe Paprikaschoten mitgebracht. Paule Unger ermutigte mich: Sei nicht so schüchtern, laß dir ein paar geben. Und wenn deine Frau mal wieder Goulasch macht – zweie mit rein, was denkste wie das schmeckt!
Gesagt, getan. Wie da Schicksal so spielt, kam gerade an diesem Tag meine Schwiegermutter unangemeldet zu Besuch. Das Essen war so scharf, daß es kaum zu genießen war.
Als ich mich dann bei Paule Unger über seinen Ratschlag beklagte, sagte er:
“Zwei Schoten,  bist du verrückt? Höchstens eine!“

Die folgende Geschichte soll Paul gerne selbst erzählt haben:
Ein ölhydraulisches Steuerwerk funktionierte nicht ordentlich. Erste Kontrolle galt immer dem Strahlrohr, welches gerne mal verstopfte. Paul kroch also in den Reglerschrank, zwängte sich zu dem Steuerwerk und baute das Strahlrohr aus. In dem Moment schaltete jemand das zentrale Ölpumpwerk ein. Durch die Enge bekam Paul seinen Kopf nicht so schnell aus dem Ölstrahl. Laut fluchend kam er aus dem Reglerschrank, er sah aus wie eine Ölsardine.

Hans Völker